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Wer die Rahmenbedingungen, unter denen Jugendarbeit in Niedersachsen stattfindet, und deren Entwicklung in den zurückliegenden 20 Jahren betrachtet, kommt zu besorgniserregenden Erkenntnissen. Ein Gegensteuern, insbesondere in der kommunalen Jugendpolitik, ist daher dringend notwendig. 

Die Bedingungen, unter denen Jugendarbeit in Niedersachsen stattfindet, haben sich in den vergangenen 20 Jahren deutlich verändert: An vielen Stellen wurden Strukturen geschwächt und Förderung abgebaut.

Zu diesen Ergebnissen kommt eine Analyse der Situation der Jugendarbeit in Niedersachsen von 1990 bis heute, die der Landesjugendring Niedersachsen e.V. in den vergangenen Monaten erstellt hat. Datenbasis der Analyse waren verschiedene Statistiken zur Jugendarbeit in Niedersachsen, deren Ergebnisse ergänzend mit Mitarbeiter-inne-n der Jugendarbeit diskutiert und inhaltlich unterlegt wurden. Die Analyse stellt die Entwicklung auf den niedersächsischen Durchschnitt bezogen dar. Daraus ergibt sich, dass es einzelne Kommunen gibt, in denen eine positivere Entwicklung zu verzeichnen ist, während andere Kommunen unterdurchschnittlich dastehen. Eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse:

Während die Ausgaben für Jugendhilfe in Niedersachsen seit 1992 um über 60% gestiegen sind, stagnieren die Ausgaben für die Jugendarbeit bei etwa 135.000.000 € (1). Der Anteil der Ausgaben für Jugendarbeit an den Ausgaben der Jugendhilfe(2) ist somit von 12,3% im Jahr 1992 auf 7,8% im Jahr 2008 gesunken. 

Unter dieser Stagnation leiden insbesondere die Ausgaben für Maßnahmen der Jugendarbeit (Freizeiten, Seminare,...): Wurden dafür 1992 noch 46,5 Mio. € ausgegeben, waren es 2008 nur noch 43,5 Mio. €. Ein Teil dieser Gelder wird auch als Zuschüsse zu den Maßnahmen an die Jugendgruppen/Jugendverbände gezahlt; hier stehen also nun weniger Mittel zur Verfügung als 1992.

Ebenfalls zurückgegangen sind die Ausgaben für Einrichtungen der Jugendarbeit (Jugendzentren, Bildungsstätten,...): Wurden 1992 noch 97,8 Mio € investiert, sank dieser Betrag auf 84,5 Mio € im Jahr 2008.

Die Zahl der Maßnahmen in der Jugendarbeit – seien es Freizeiten, Seminare oder internationale Jugendbegegnungen, die öffentlich bezuschusst werden – ist seit 1992 kontinuierlich gesunken: Statt knapp 16.000 Maßnahmen wurden 2008 nur noch gut 10.000 Maßnahmen gefördert.

Nach Einschätzung der Träger der Jugendarbeit liegt dies nur zu einem geringen Anteil daran, dass weniger Maßnahmen stattfinden. Für viele Maßnahmen stehen schlicht keine Fördermittel mehr zur Verfügung oder die Fördersätze sind so gering und stehen in keinem Verhältnis zum bürokratischen Aufwand; so dass keine Förderanträge mehr gestellt werden.

Durch den Wandel der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verändert sich auch die Bereitschaft bzw. die Möglichkeit von Freiwilligen, sich zu engagieren. Von besonderer Bedeutung sind die Veränderungen im Bildungssystem: Die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur und die Neuordnung des Studiums (Bachelor/Master statt Diplom) prägen die Lebenswelt junger Menschen und haben starken Einfluss auf deren Engagement.

So belegt das Bildungssurvey 2009(3), dass G8-Schüler-innen seltener ehrenamtlich aktiv sind als G9-Schüler-innen. Ebenso sind Halbtags-Schüler-innen stärker engagiert als Ganztags-Schüler-innen. Auch bei den Studierenden bis 25 Jahren, also jenen, die unter den neuen Studienbedingungen studieren, waren 2009 weniger engagiert als 1999.

Neben den benannten Bereichen Schule und Hochschule ist auch der häufigere Umzug/Wegzug von jungen Menschen für Studium und Ausbildung ein wichtiger Aspekt und Grund für die Beendigung des Engagements.

Insgesamt müssen die Träger der Jugendarbeit feststellen, dass

  • sich junge Menschen lieber projektorientiert engagieren wollen, statt sich langfristig an eine Organisation zu binden,
  • die Verweildauer der Engagierten bei einer Organisation geringer wird,
  • es häufiger zu Abbrüchen des Engagements (z.B: wegen ausbildungsbedingtem Umzug) kommt.

Dadurch müssen die Jugendgruppen/Jugendverbände häufiger neue Jugendleiter-innen anlernen. Früher haben diese Aufgabe die erfahrenen Jugendleiter-innen vor der Beendigung des Engagements gemacht; heute fehlt häufig die Zeit für eine gute Einarbeitung der neuen Jugendleiter-innen. Dadurch sind die Kontinuität und die Qualität der Angebote in Gefahr, wenn nicht die Unterstützung und Begleitung der Freiwilligen verbessert wird.

Ungeachtet der Tatsache, dass Jugendarbeit keine zusätzlichen Ressourcen erhalten hat, haben sich die Anforderungen an Jugendarbeit in den vergangenen zwei Jahrzehnten erhöht: Die steigende Zahl der von Armut bedrohten Jugendlichen, die Integration von Migrant-inn-en, die Arbeit mit jungen Menschen mit besonderem Förderbedarf, die Veränderung der Medienlandschaft und die daher notwendigen medienpädagogischen Angebote, die pädagogische Auseinandersetzung mit Alkohol- und Drogenkonsum,... – die Liste der Handlungsfelder, in denen Politiker-innen die Jugendverbände auffordern aktiv zu werden, ließe sich noch weiter fortsetzen. 

Viele dieser Tätigkeitsfelder könnten von den Jugendverbänden und Jugendgruppen aufgegriffen werden, sie erfordern jedoch besondere Fachkenntnisse und Zusatzqualifikationen, die von Ehrenamtlichen nicht erwartet werden können, und sie erfordern außerdem zusätzliche finanzielle, personelle und materielle Ressourcen. Diese stehen zurzeit i.d.R. nicht zur Verfügung.

Diese neuen politischen Anforderungen binden bereits heute Arbeitskapazitäten der hauptamtlichen Mitarbeiter-innen der Jugendarbeit – insbesondere auch der kommunalen Jugendpfleger-innen, deren Stellenbeschreibungen oftmals entsprechend ergänzt wurden. Dadurch reduziert sich defacto das Arbeitszeitkontingent für die bisherigen Aufgaben der Jugendarbeit.

Hinzu kommt, dass sich die Anzahl der hauptamtlichen Mitarbeiter-innen (oder deren Arbeitszeitanteil) in der Jugendarbeit in den vergangenen Jahren deutlich reduziert hat. Dies geschieht teilweise schleichend (z.B. dadurch, dass kommunale Jugendpfleger-innen zusätzliche Aufgaben erhalten), teilweise aber auch ganz bewusst durch Kürzungen und Stellenstreichungen – nicht nur in den öffentlichen Haushalten, sondern auch bei einigen Organisationen (z.B. Kirchen und Gewerkschaften), die in der Vergangenheit sehr viel mehr Personal für die Jugendarbeit beschäftigten. Unter den Beschäftigten ist die Zahl derer mit Zeitverträgen und Teilzeitstellen deutlich gestiegen, eine kontinuierliche Arbeit wird dadurch erschwert. 

Leidtragende sind in der Regel die Ehrenamtlichen der örtlichen Jugendgruppen und Jugendverbände. Der beschriebene Abbau von Professionalität führt dazu, dass Ehrenamtliche in ihrer Arbeit weniger Unterstützung und Beratung erfahren und Vernetzungsstrukturen geschwächt werden. Gaben 1992 noch 89% der Jugendringe an, ein gutes Verhältnis zu ihrem Jugendamt zu haben, waren dies 2008 nur noch 50%. Auch der Stellenwert von Jugendarbeit im kommunalpolitischen Raum scheint zu sinken: Hier ist der Anteil der Jugendringe mit einem guten Kontakt zur Kommunalpolitik von 66% auf 35% gesunken. 

Ferner ist festzustellen, dass das Subsidiaritätsprinzip (also der Vorrang von freien Trägern vor den öffentlichen Trägern, Angebote und Einrichtungen zu betreiben) zunehmend weniger beachtet wird. Es ist ein deutlicher Trend festzustellen, dass Kommunen die Jugendzentren, Tagungshäuser, Ferienmaßnahmen oder auch Juleica-Schulungen lieber selber betreiben bzw. durchführen, als freien Trägern dafür die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. 

Dies wird auch anhand der Statistiken deutlich: 2006 waren etwa 45% der Einrichtungen der Jugendarbeit in freier Trägerschaft, während 55% von öffentlichen Trägern betrieben wurden. Bei den offenen Einrichtungen (Jugendzentren, Abenteuerspielplätze) mit pädagogischer Betreuung liegt der Anteil der freien Träger sogar bei nur 37%.

Daraus ergibt sich, dass auch der Großteil der hauptamtlichen Mitarbeiter-innen bei öffentlichen Trägern beschäftigt ist(4); hingegen sind 86% der Juleica-Inhaber-innen bei freien Trägern aktiv.

Angesichts dieser Entwicklung der Jugendarbeit in Niedersachsen sind aus Sicht des Landesjugendrings Niedersachsen deutliche Korrekturen – insbesondere in der kommunalen Jugendpolitik – notwendig:

Stellenwert der Jugendarbeit erhöhen

Jugendarbeit muss als „weicher Standortfaktor” einen höheren Stellenwert in der Kommunalpolitik erhalten. Es muss im Interesse der Kommunalpolitik sein, dass es ein breitgefächertes, nichtkommerzielles Freizeit- und Bildungsangebot für alle Kinder und Jugendlichen in Niedersachsen gibt. Die vielfältigen Strukturen gilt es zu sichern und zu fördern. Der eigene Stellenwert der Jugendarbeit als Lern- und Experimentierfeld jenseits der Jugendsozialarbeit muss anerkannt werden. 

Die Kommunen haben die Gesamtverantwortung für die örtliche Jugendarbeit – dazu gehört es auch, mit freien Trägern zu kooperieren, diese zu unterstützen und zu fördern. 

Jugendarbeit bedarfsgerecht weiterentwickeln

Dafür muss Jugendarbeit bedarfsgerecht weiterentwickelt werden. Notwendig ist eine entsprechende personelle, finanzielle und räumliche Ausstattung. Der Anteil der Ausgaben für Jugendarbeit an den Ausgaben der Jugendhilfe muss signifikant erhöht werden. 

Kommunale Förderung ausbauen und Bürokratie abbauen

Die Fördersätze für Freizeiten, Seminare und andere Projekte der Jugendarbeit müssen deutlich angehoben und kontinuierlich an die Preisentwicklung angepasst werden; die Haushaltsansätze müssen entsprechend angehoben werden.

Zugleich müssen die bürokratischen Anforderungen minimiert und ehrenamtsfreundlich gestaltet werden. Sinnvoll erscheint es, die Förderung der Jugendgruppen und Jugendverbände auf der Ebene der Jugendämter zu regeln, so dass in jedem Landkreis einheitliche Förderbedingungen für die Jugendgruppen aus allen Orten bestehen und dadurch bürokratische Erschwernisse abgebaut werden ohne dass es dadurch zu Fördereinbußen für die Jugendgruppen kommt.

Freiwillig Engagierte brauchen mehr Unterstützung

Ehrenamtliches Engagement in der Jugendarbeit muss stärker unterstützt werden. Die Jugendringe auf Jugendamtsebene als Arbeitsgemeinschaften der Träger der Jugendarbeit sollten daher zu „Regionalstellen des freiwilligen Engagements in der Jugendarbeit” ausgebaut werden und zukünftig die Unterstützung und Anerkennung der Jugendleiter-innen in der jeweiligen Region koordinieren. Sofern es keinen Jugendring auf der Jugendamtsebene gibt oder dieser die Aufgabe nicht übernehmen will, soll die Regionalstelle bei einem vergleichbaren Netzwerk der freien Träger der Jugendarbeit angesiedelt werden.

Ferner muss die Kultur des Dankeschöns und der gesellschaftlichen Anerkennung einen höheren Stellenwert erhalten. Kommunen können dazu einen wesentlichen Beitrag leisten – durch eigene „Dankeschön-Veranstaltungen”, das Einwerben von Vergünstigungen bei der örtlichen Wirtschaft für Juleica-Inhaber-innen oder durch eine tatkräftige Unterstützung und Beratung der Ehrenamtlichen. Vergünstigungen der Ehrenamtskarte müssen auch für Juleica-Inhaber-innen gelten.

Schließlich müssen auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Vereinbarkeit des Engagements mit Schule, Studium, Ausbildung und Erwerbsarbeit verbessert werden.

Projektbezogenes Engagement erleichtern

Das projektbezogene Engagement ist für viele Jugendliche ein guter Einstieg in eine ehrenamtliche Tätigkeit. Daher sollen junge Menschen motiviert werden, eigene Projekte zu initiieren und selber durchzuführen.

Kurzfristig Engagierte benötigen eine besondere Form der Unterstützung, z.B. in Form von individueller Beratung und/oder speziellen Fortbildungsangeboten. Sofern die Träger nicht selber in der Lage sind, die neuen Engagierten adäquat zu begleiten, oder es sich um freie Jugendgruppen handelt, sollen diese Aufgabe die „Regionalstellen für freiwilliges Engagement in der Jugendarbeit” übernehmen.

Mehr Ressourcen für neue Aufgaben

Wenn die Träger der Jugendarbeit neue Aufgaben übernehmen sollen – zum Beispiel in der Kooperation mit Schule oder in der Arbeit mit jungen Menschen mit besonderem Förderbedarf – so setzt dies auch zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen voraus, die bereitgestellt werden müssen.

Stellenwert freier Träger erhöhen

Das Subsidiaritätsprinzip darf nicht weiter ausgehölt werden; öffentliche Träger sollten nur dort eigene Angebote machen und Einrichtungen unterhalten, wo es keine freien Träger gibt, die diese Aufgabe ebenso wahrnehmen könnten. Dabei müssen insbesondere die traditionellen Träger der Jugendarbeit berücksichtigt werden.

Stand: Mai 2011

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Anmerkungen:

(1) Alle Euro-Beträge in diesem Text wurden um den Verbraucherpreis-Index bereinigt. Die tlw. vorhandene Steigerung von Beträgen wurden für die bessere Vergleichbarkeit an die Preisentwicklung angepasst.

(2) Grundlage sind die Ausgaben im Verwaltungshaushalt aller nds. Kommunen und des Landes.

(3) Das Bildungssurvey basiert auf dem Freiwilligensurvey, es untersucht daher nicht nur das Engagement in der Jugendarbeit, sondern das Engagement junger Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen.

(4) Die Jugendhilfestatistik 2006 weist hierzu leider für Niedersachsen keine Personalverteilung zwischen freien und öffentlichen Trägern aus.